Angebotene Seminare auf Bachelor- und Masterniveau
Wenn Laura Mulvey in den 1970er Jahren im klassischen Kino die Dominanz eines "männlichen Blicks" diagnostiziert, um die Art und Weise zu beschreiben, wie sich die patriarchale Verdinglichung des weiblichen Körpers auf die Darstellung der Frau im Film einschreibt, dann stellt sich die Frage, ob es so etwas wie einen "weiblichen Blick" gibt, der dieses ästhetische Wahrnehmungsmuster umdreht oder zumindest verkompliziert. In diesem Seminar verhandeln wir die Möglichkeit und Unmöglichkeit dieses Gegenbegriffs. Wir untersuchen dazu die epistemologischen Voraussetzungen, die Mulveys Theorie zugrundeliegen, und blicken auf verschiedene Film- und Videobeispiele aus dem Kino des 21. Jahrhunderts und der Kurzvideoplattform TikTok, um einer Antwort näherzukommen.
Das Basismodul Filmästhetik und -theorie führt in die grundlegenden Fragestellungen, Gegenstandskonstruktionen und Konzepte der Filmtheorie ein und eröffnet einen Einblick in die theoriegeschichtliche Genese der Begriffe gegenwärtiger Theorie und Ästhetik des Films. Das Basismodul vermittelt die Terminologie, Problemstellungen und Grundprinzipien theoretischer Erkenntnisbildung an den Argumentations- und Darstellungsweisen exemplarischer film theoretischer, ästhetischer, medien- und kulturtheoretischer Texte. Es leitet zur fundierten Reflexion über den erweiterten Gegenstandsbereich der Filmwissenschaft an. In begleitenden Übungen und im Rahmen kleinerer eigener Beiträge werden die vermittelten Prinzipien und Begrifflichkeiten auf theoretische, ästhetische und kulturwissenschaftliche Fragestellungen angewendet und die Fertigkeiten einer methodisch geleiteten Lektüre theoretischer Texte eingeübt.
Es ist einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Mit dieser Diagnose von 2009 benennt Mark Fisher die akute Vorstellungsarmut alternativer medialer Weltentwürfe, die gelähmt von der Allgegenwärtigkeit des Turbokapitalismus im stumpfen Gefühl der Ohnmacht versinken. Diese Ausweglosigkeit wird von anderen Medientheorien durchaus in Frage gestellt. Die Untersuchung ihrer Visionen von Kritik und Subversion öffnet den Blick auf Widerstandspotenzial, wo andere nur noch langweilige Dystopie vermuten.
Diese Lehrveranstaltung schafft einen systematischen Überblick über verschiedene Formen antikapitalistischer Medientheorien des 20. und 21. Jahrhunderts. Es liegt nahe, bei der Betrachtung einer so großen Zeitspanne nicht von „den“ Medien zu sprechen—kritische Medientheorien verändert sich parallel zu den materiellen und ästhetischen Übergängen ihrer Untersuchungsgegenstände, d.h. Film, Fernsehen und digitale Medien. Klärungsbedürftiger ist hingegen, dass ebensowenig von „dem“ Kapitalismus gesprochen werden kann, der diese Zeitspanne unverändert umfasst. Béla Balázs schreibt 1924 vom Film als Erzeugnis der kapitalistischenGroßindustrie; Theodor W. Adorno und Max Horkheimer reden 1944 von der Kulturindustrie als Ausgeburt desSpätkapitalismus; Jodi Dean deutet 2005 auf das frühe Internet als Legitimationsapparat desNeoliberalismus; Shoshana Zuboff kritisiert 2018 digitale Plattformen wie Google oder Meta als Medien desÜberwachungskapitalismus. Allein diese Begriffsunterschiede machen klar, dass eine Übersicht antikapitalistischer Medientheorien nur gelingen kann, wenn zwei ineinandergreifende Transformationsbewegungen simultan verhandelt werden: die Übergänge zwischen Medien und die Übergänge zwischen Kapitalismen.
Um diese Verschränkung greifbar zu machen, werden vier Perioden differenziert, denen sich verschiedene Medientheorien zuordnen lassen: (1) Monopolkapitalismus, (2) Spätkapitalismus, (3) Neoliberalismus, (4) Digitaler Kapitalismus. Jede dieser Perioden definiert sich über ein anderes Zusammenspiel derselben Instanzen: Kapital, Politik, Medien und Zuschauer*innen. Sie artikulieren damit verschiedene Verständnisse von Kritik und Subversion, die zusammengenommen zur Konkretisierung und Formulierung eigener Ideen des mediatisierten Widerstands beitragen können.
In diesem Seminar geht es um Agitation, Protest und ästhetischen Widerstand. Wir begegnen dabei verschiedenen Topoi des öffentlichen Diskurses der 1980er Jahre: die fortgeschrittene Aufarbeitung der Shoah, die sich global vernetzende Gewalt des militärisch-industriellen Komplexes, neue Technologien der Bio- und Nekropolitik sowie die Manipulation politischer Bewusstseinsbildung durch anschwellende Konglomerate kommerzieller Massenmedien. Im Kontext der Protestwellen von 1968 begegneten wir einigen dieser Themen auf erhobenen Postern und in wackeligen, hastig zusammengeschnittenen Studierendenfilmen. Doch etwas hat sich verändert. Die unmissverständlichen Aus- und Ansagen, die in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren noch als rote Fahnen oder Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Bauen eines Molotow-Cocktails auf der Leinwand erschienen, scheinen in den 1980er Jahren irgendwie verdunstet oder zumindest uneindeutiger geworden zu sein. Anhand des Films Bilder der Welt und Inschrift des Krieges (1988) von Harun Farocki (1944-2014) überprüfen wir in diesem Seminar die These, dass sich linker ästhetischer Widerstand in den 1980er Jahren von der filmischen Repräsentationsebene weg- und in die formalen Gestaltungsmittel des Films hineinbewegt.
Im März 1977 veröffentlich die deutsche Filmkritikerin und -theoretikerin Gertrud Koch in Frauen und Film den Aufsatz „Was ist und wozu brauchen wir eine feministische Filmkritik?“ Anlässlich dieses Seminars stellen wir uns diese Frage erneut – diesmal jedoch in leichter Abänderung und mit knapp 50 Jahren historischem Gepäck im Schlepptau: Was war feministische Filmtheorie und was ist sie heute? Wozu brauchten wir sie damals und wozu brauchen wir sie heute?
Wir beginnen das Seminar bei Laura Mulveys Konzept des „männlichen Blicks“. Lässt sich dieses Konzept auch heute noch anwenden, wenn es doch einer psychoanalytischen Methodologie der 1970er entspringt, in der das Bild der Frau als „Trägerin der blutenden Wunde“, als „Signifikan[t] des eigenen Wunsches nach einem Penis“ auftritt? Wir begegnen mehreren Theoretikerinnen, die Mulvey weiterentwickeln und kritisieren. Wir untersuchen in diesem Zusammenhang, inwiefern queere und BIPoC-Perspektiven feministische Filmtheorie simultan herausfordern und erweitern, indem sie nämlich auf eine Position hinweisen, die Mulvey nur schwer zu fassen vermochte: die weibliche Zuschauerin. Diese existiert nicht im Vakuum; sie besitzt einen gelebten Körper, der nicht als bloßer Container einer Essenz, eines hermetisches Individuums, sondern als schwarzer oder lesbischer oder auch behinderter Körper auftritt, als ein von Affekten, Emotionen und Spannungen durchzogenes „Fleisch“. Hier betreten wir das spannende Feld der (queer-)feministischen Phänomenologie, die seit den späten 2000er Jahren die feministische Filmtheorie maßgeblich prägt.
Anfang der 1990er Jahre galt das Internet und die von ihm ermöglichte Kommunikationsstruktur als lang ersehnte Verwirklichung demokratischer Ideale. Mit der Kommerzialisierung des Internets und dem Erstarken sozialer Medien schwand diese Hoffnung bereits Anfang der 2000er Jahre – heute ist es ein Gemeinplatz, den digitalen Kapitalismus als Untergangsmoment der Demokratie zu kritisieren. In digitalen Echokammern bilden sich filter bubbles, die jeglichen Blick über den Tellerrand unmöglich zu machen scheinen. Algorithmen belohnen systematisch toxische Diskurse und negative Affekte, um Aufmerksamkeit zu akkumulieren. Große Tech-Firmen wie Meta (Facebook/Instagram) oder Alphabet (Google) sammeln Nutzer*innen-Daten, um aus deren Verkauf an Werbefirmen Profit zu schlagen. Die Liste geht weiter. Wie nehmen diesen Gesinnungswandel über zwei aktuelle Texte in den Blick: Jürgen Habermas‘ neuestes Buch Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und deliberative Politik (2022) und das von Christian Fuchs und Klaus Unterberger herausgegebene Public Service Media und Public Service Internet Manifesto (2021). Beide fordern die Umstrukturierung des Internets. Beide modellieren diese Umstrukturierung nach dem Beispiel öffentlich-rechtlicher Medien. Wir untersuchen, welche Probleme dieser Strategie anhaften und inwiefern die komplexe Beziehung von Demokratie und Internet auf eine größere sozioökonomische Entwicklung hindeutet.
Der solare Anus, der Sado-Masochismus und natürlich die generelle Ökonomie. In diesem Seminar befassen wir uns mit den Motiven der Verschwendung, der Verausgabung, des Überflusses und des Exzesses. Als theoretische Grundlage dienen uns dafür die anarchistischen und erotischen Schriften des französischen Philosophen Georges Bataille (1897–1962). Ausgehend davon untersuchen wir, inwiefern audiovisuelle Medien nicht nur Verschwendung abbilden, sondern selbst auch Verschwendung sind – von Zeit, Emotionen, Geld und Energie.
Aus Sicht des gegenwärtigen Kapitalismuskritikers Jonathan Crary leben wir in Westeuropa im Zeitalter des Spätkapitalismus. Im Gegensatz zum klassischen Marktkapitalismus, den Marx im 19. Jahrhundert noch als Kapitalismus schlechthin analysierte, zeichnet sich der Spätkapitalismus durch seine besondere Beziehung zur Kultur aus. Nicht ohne Grund kommen Begriffe wie „Kultur- und Dienstleistungssektor“, „ästhetische Ökonomie“ oder auch „Kreativbranche“ gerade dann ins Spiel, als ab Ende der 1960er Jahre zunehmend von einer Umstrukturierung von Kapital und Arbeit gesprochen wird. Als Mitglieder einer staatlichen Kunsthochschule geht uns diese Umstrukturierung unmittelbar etwas an, denn wieso genau fördert der Staat (nicht zufällig ebenfalls seit Ende der 1960er Jahre) überhaupt die Ausbildung von Filmemacher*innen?
Auf diese Frage gibt uns die nähere Untersuchung der Begriffsgeschichte des Spätkapitalismus eine Antwort. Zu Beginn des Seminars untersuchen wir daher die Entwicklung des Kapitalismus im 20. Jahrhundert. Dabei nehmen wir vor allem das Zusammenspiel von Kultur und Kapital in den Blick, das sich über die Sphäre der Kunst hinweg in andere Bereiche des Sozialen einschreibt. Auch das Medium Film wird von dieser Bewegung erfasst. Mit der Verbreitung neuer Medien löst sich das audiovisuelle Bild immer mehr vom dunklen Raum des Kinos und verstreut sich über digitale Netzwerke nicht nur im Bereich der Freizeit, sondern auch der Arbeitszeit. Diesem Umstand wird in der deutschen Filmwissenschaft mit dem Begriff der Postkinematografie Rechnung getragen, dem wir uns näher widmen werden. Das Seminar endet mit einer Reflexion über die grundlegende Annäherung von Bild- und Arbeitspraxen, die nicht nur den Spätkapitalismus und die Postkinematografie maßgeblich prägt, sondern auch unseren Alltag an der HFF München.
Dieses Seminar befasst sich mit der organisch-technischen Schnittstelle von Körper und Maschine. Wir schauen uns an, wie die westliche Moderne seit dem 17. Jahrhundert von einer Mechanisierung des menschlichen Körpers geprägt ist, und welche Rolle das Medium Film dabei spielt(e). Anschließend wenden wir uns der spätmodernen Wendung dieses Paradigmas zu: der Cyborg und die kybernetische Auflösung alter Kategorien von Identität, Geschlecht und körperlicher Integrität. Wir sichten und besprechen dazu David Cronenbergs Film Videodrome (1983) und besuchen die Ausstellung Future Bodies im Museum Brandhorst.
Dieser Kurs betrachtet unterschiedliche mediale Formate (darunter Spielfilm, Dokumentarfilm und Kurzvideos) und ihre ästhetische Auseinandersetzung mit dem Thema des politischen Protests. Der Fokus liegt auf Aufständen und Formen des Dissens des frühen 21. Jahrhunderts, die strategisch auf digitale Netzwerke und soziale Medien zurückgreifen – darunter vor allem der arabische Frühling (2010-heute). Wie drückt sich dieser technologische Hintergrund auf audiovisueller Ebene aus? Inwiefern lässt sich von einer digitalen „Rhetorik“ des Protests reden und welche analytischen Werkzeuge können wir nutzen, um dieser Darstellungsform wissenschaftlich näherzukommen?
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